Offene Ateliers in Düsseldorf
Zyklen des VergänglichenAm 14. und 15.09.2019 fanden wieder die Düsseldorfer Kunstpunkte statt. Die Fotokünstlerin Monika Seibel öffnete gerne für Sie einen Blick in ihre neuesten Arbeiten. Wer das Werk kennt, weiß, wie wichtig ihr neben vielen anderen das klassische Kunstthema der „Vanitas“, Vergänglichkeit, ist.
Nun hat Monika Seibel einen Weg gefunden, dieses Thema neu zu besetzen; genau genommen hat das Thema diesen Weg aus sich selbst heraus gefunden. Bildelemente der Vergänglichkeit aus den Fotoarbeiten haben sprichwörtlich den Weg heraus aus den Rahmen der Sujets genommen, breiten sich nun als Installationen im gesamten Raum aus. Poetisch könnte man sagen, die Bilder des Vergänglichen haben sich ihren Lebensraum wieder erobert. Den Raum, in dem Monika Seibel mit Familie, Freunden und Gästen lebt. Die Kunst ist gewisswermaßen von den Wänden herunter gekommen, hat sich selbst abgehängt und ist zur Rauminstallation geworden.
Bei diesen Installationen bedient sich die Künstlerin auffallend des Stilelements der Serialität. Nicht ganz exakt geordnet, ein wenig gedrängt aneinander breiten sich Serien von Papierschalen über den Boden aus. Serialität ist ein stilbildendes Element, zugleich aber die installierte Lesart des Themas der Vergänglichkeit selbst wiederum. Alles Serielle nivelliert das Besondere. Serien machen den Blick, die Währnehmung und die Aufmerksamkeit auf alles Besondere vergänglich, gehen über es hinweg. So findet das Auge auch in den Installationen zunächst weder Anfang noch Ende, weder Ordnung noch Lesbarkeit, keinen Sinn. Aber unser Blick sucht unentwegs Sinn, sucht ein Narrativ, wie man heute so cool spricht.
In den Schalen sieht man zunächst eine amorphe Gegenständlichkeit, assoziiert diese mit Reiskörner, Blüten, Rinden, Getreiden, allen möglichen Arten von getrocknetem Obst, Gemüse, Nüsse usw. und findet dann umherschweifend doch wie in einem Fokus, die Schalen, die vermeintlich zusammengehören. Aufgrund der farblichen oder der stofflichen Ergänzungen. Aber die Kraft der Serialität, alles wieder aufzulösen, den Blick nicht anhaften zu lassen, setzt sich unweigerlich durch und lenkt ihn hierhin, dorthin, aber nicht hinaus, weil Serialität kein Außen kennt. Wo Serialität herrscht, muss das Besondere, das Einzelne erscheinen. Weil es sein Komplementär ist.
So nehmen wir in der Serialität um so mehr das Einzelne in seiner Besonderheit wahr, als unser Blick dies sucht, sich gegen seine nivellierende, inhaltliche, farbliche und stoffliche Auflösung wehrt. Kunst, die gekonnt mit dem Komplementär von Serialität und Einzelheit, von seriell rauschenden Bildern und fokussiertem Einzelbild zu spielen weiss, schafft ein Höchstmaß an Überblick und Einsicht. Einsicht in die Schönheit einzelner, vergänglicher Stoffe, in die zufälligen, sinnhaften Kompositionen von mehr oder weniger kohärenten Gruppen, die durch farbliche oder stoffliche Zusammengehörigkeit dem Betrachter aus dem rastlosen Überblick aufscheinen.
Besonders gut gelingt der Künstlerin die Installation des Vergänglichen in ihren seriellen Komplementärfeldern aus Naturstoffen wie Steine, Rinde, Laub und verpackten, zu Lebensmitteln industriell verwerteten Stoffen. Wie auf den Feldern der industriellen Landwirtschaft suchen sich die Installationen Wege durch den Lebensraum der Künstlerin, hinterlassen tiefe Eindrücke und Einsichten in die Zyklik ihrer stofflichen Existenz. Von der unsichtbaren Saat, deren Wachstum über alle Stufen der Verwertung hinweg dehnt sich das Thema der Vergänglichkeit aus, hinterlässt seine Spuren in der Landschaft wie in den Räumen unserer Zivilisation, ubiquitär.
Normalerweise finden die Stoffe unserer Vergänglichkeit ihren letzten Weg in die Abfalleimer der zivilisierten Gesellschaft, andernorts die Müllkippe vor der Tür oder ihre letzte Transformation in den Abtransportwegen der Flüsse und Bäche vor den Türen in den Entwicklungsländern. Nie finden sie zurück in unseren Lebensraum, weil ein verbrauchender Umgang mit der Natur just das Gegenteil einer schonenden, zyklischen Wiederverwertung ist.
Insofern ist das Vergängliche unserer Existenz gleichsam der Horizont alles Lebendigen wie der Horizont der eigenen Existenz auch die Linie bildet, die unser Blick nicht zu überschreiten vermag. Allein in der Vorstellungskraft der Kunst sehen wir ein wenig weiter; und vielleicht verlassen Sie dann die Räume am Füstenwall anders, als Sie sie betreten haben und wird die Kunst Sie danach eine Weile mit sich nehmen und die Dinge des Vergänglichen in einer neuen Weise sehen lassen .